Branding UK — embrace the swarm

Ars Electronica "Unplugged". Kooperation mit dem Ars Electronica Center/FutureLab und dem Ravensbourne College, London

Linz ist eine britische Kolonie

Installation von 6 Hinweisschildern an verschiedenen Plätzen der Donaulände und im Art & Tek Institute
2002

In Großbritannien laufen immer wieder einzelne Männer und Frauen während einer Sportveranstaltungen nackt über den Rasen. Die Nachricht von einem "Flitzer", der bei einem Besuch der Queen unbekleidet aus der Menge tritt, und erst von Polizisten gestoppt werden kann, erregt immer noch Aufmerksamkeit.
"Worm Charming"-Meisterschaften finden über ganz England verteilt statt. Jeder Teilnehmer bekommt eine gewisse Rasenfläche zugeteilt, und versucht dabei, so viele Würmer wie möglich aus dem Boden zu locken. Dazu werden vibrierende Mistgabeln, Musik und andere Hilfsmittel verwendet.
Sie verbringen den Tag mit dem Warten auf die unterschiedlichsten Straßenbahnen, um dann Fotos zu schießen: Tramspotter – die Bezeichnung ist bereits ein Schimpfwort in England – auch "Anoraks" genannt, notieren Typennummern, sammeln Bilder und tauschen mit anderen Straßenbahnliebhabern.
Stimmt es, dass die Freude am Skateboardfahren kombiniert mit der besonderen Liebe der Engländer zu Hunden, dort zu einem sich wachsender Beliebtheit erfreuendem, neuen Sport geführt hat? Angeblich ist es im Südosten sehr populär, sich von seinem Hund am Skateboard ziehen zu lassen.
Pubbesitzer in Großbritannien müssen oft kontrollieren, ob Ihre WC-Anlagen noch intakt sind. Klobrillen kommen dort häufig abhanden und werden dann meistens zerschlagen auf der Straße wiedergefunden. Manche Gäste montieren sie auch einfach zum Spaß ab und lassen sie liegen.

Der Kultstreich ist in Großbritannien so Manchem ein radikales Anliegen. Die "Gnome-Liberation-Army" setzt sich für die Befreiung von Gartenzwergen ein. Zwerge verschwinden aus Gärten und tauchen in einem Wald oder andernorts wieder auf. Manchmal sollen sie sogar Postkarten aus dem Urlaub schreiben.

Auf der Linzer Donauländer habe ich mit sechs Schildern in englischer Sprache dazu aufrufen lassen, exzentrische Dinge zu tun: etwa vor dem Nike Arcotel nackt über die Wiese zu laufen, Gartenzwerge aus einem Blumenbeet zu stehlen, oder mit einer Mistgabel Würmer aus dem Boden zu locken.

Die Schilder beziehen sich auf gesellschaftliche Phänomene, die sich während der Jahrtausendwende großer Beliebtheit in Großbritannien erfreuten. So zum Beispiel das splitternackte Flitzen über den Rasen oder das nerdige Beobachten von Straßenbahngarnituren. Dogboarden wiederum bedeutet, sich von seinem Hund auf dem Skateboard ziehen zu lassen. Und missgelaunte, britische Pubbesucher zerschmettern oft die Klobrillen der Toiletten - sehr zum Leidwesen der Wirte.

Die öffentlich aufgestellten Schilder dieser Installation tun genau das, was Gebotstafeln normalerweise nicht tun: nämlich zu ermutigen, statt zu verbieten. Die Einladung zu einer an sich unüblichen, oder sogar gesetzwidrigen Tat richtet sich an TouristInnen wie Linzer BürgerInnen.

Ausgehend von der ursprünglichen Idee des Linzer Projektteams, während der Ars Electronica eine britische "Kolonie" in Linz zu errichten, habe ich versucht, mit der humorvollen Gestaltung von Hinweisschildern dieser "Kolonie" einen "gesetzlichen" Rahmen zu geben. Imaginativ und spielerisch war es dadurch möglich, Regeln und gesellschaftliche Erwartungen neu zu denken, und sie einer heiteren Prüfung in der Realität zu unterziehen.

Branding UK – Im Rahmen des Projekts embrace the swarm - exploring collaborative authorship. Projektredits dazu: Institutionen: Kunstuniversität Linz, Ravensbourne College of Design and Communication, Ars Electronica Center. Ausstellungsorte: Art&Tek Institute, Donaulände. Koordination: Michael Shamiyeh, Dietmar Offenhuber, Team Linz: Christoper Lindinger, Helmut Höllerl, Horst Hörtner, Andreas Jalsovec, Team Kent: Michael Breidenbruecker, Karel Dudesek. Student Team Linz: Nikolaus Diemannsberger, Peter Freudling, Joachim Koll, Margit Nobis, Tina Reisinger, Bettina Steinmaurer, Regina Raml, Heike Nösslböck, Vinzenz Naderer, Clemens Mock, Pia Schauenburg. Dank an: Verkehrszeichen Schilder Doblhofer und Stefan Brammer

English version
Margit Nobis