Zur
Ausstellung Margit Nobis ORIENTALISMANIA Imagerie arabesque
Von Lucas Gehrmann
Bereits als
Wortspiel ornamental angelegt ein potenzieller
Ismus, gekoppelt mit dem Orient, als Talisman getarnt und ausgewiesen
als Manie oder östliches (Ei)Land
, gibt eng verschlungene
Rätsel auf , zieht sich die Orientalismania von Margit
Nobis wie ein arabischer Teppich über die Schaufenster der
Galerie white8 bis hinein in den Ausstellungsraum und verwandelt
dessen üblicherweise minimalistisches White-cube-Ambiente
in das eines Palastkabinetts aus Tausendundeiner Nacht. Hier nämlich
werden Bilder gezeigt, welche die in das außen befindliche
Ornament integrierten Embleme wieder aufnehmen bzw. deren inhaltliche
Grundlage beleuchten. Insofern kann man das Konzept der
Ausstellung als Erzählung der Scheherazade begreifen:
1001 Bilder ziehen den Betrachter in den Bann des Orient(alismu)s,
sagt Margit Nobis.
Als Orientalismus
wird in der Kunst- und Kulturgeschichte jener verklärende
eurozentrische Blick des 18. und 19. Jahrhunderts auf die
exotisch-sinnlich dargestellte islamische Welt bezeichnet,
der z.B. in der Malerei der Orientalisten wie Eugène
Delacroix, A. D. Ingres oder Gustav Bauernfeind seinen Höhepunkt
fand. Wie indes ist der heutige westliche Blick auf den Orient
konnotiert? Die nach 9/11 von George W. Bush &
Co quer durch Asien gezogene Achse des Bösen
hat das alte romantisierende Klischee vom Orient in ein neues,
von Emblemen des Terrors und der Angst gepflastertes (Medien-)Bild
verwandelt. Und länger schon ist Aladins Wunderlampe in den
Besitz mächtiger Ölscheichs gelangt, die mit ihrer Hilfe
die Barrel-Preise in schwindelnde Höhen treiben
Margit Nobis
spricht diesen Turn unseres Orient-Bildes in ihren
arabesken Bild-Erzählungen nicht explizit an, sehr wohl aber
behandelt sie konzeptuell die Frage nach dem Verhältnis von
Dichtung und Wahrheit bildsprachlicher Formulierungen.
So wie schon in einigen ihrer früheren, größere
Wandpartien rapportartig überziehenden Arbeiten, kombiniert
sie auch hier (Wand-)Ornamente mit diese überlagernden Bildern,
was eine von der Künstlerin wie folgt beschriebene Ambivalenz
entstehen lässt: In der Verbindung mit einem großflächigen,
auf Motivwiederholung angelegten Sujet, kann das beigeordnete
Bild einen noch intimeren Raum erzeugen, setzt es doch das Ganze,
das unendliche Ornament, inwendig fort. Selbst der Bilderrahmen
begrenzt nur das Medium, nicht aber den Rapport. Indem das Bild
das darstellt, was sein gegenwärtiger Hintergrund ist, ist
es eigenwillig hyper-real und überpräsent
und gleichzeitig nur Tarnung: ein selbstbezogenes Trompe-loeil,
das neben dem zaubrisch-illusionistischen Aspekt auch immer wieder
auf visuell amüsante Weise die Frage nach einer Kausalkette
von Schein und Sein anregt.
Die arabeske
Imagerie, die uns Margit Nobis in ihren Arbeiten darbietet,
vermag darüber hinaus auch der landläufigen Verwechslung
von Ornament und Dekor anschaulich vorzubeugen. In seiner Grundbedeutung
im Altgriechischen nämlich bedeutet Ornament so viel wie
Ordnung, Gefüge der Welt; außerdem im erweiterten
Sinn auch die Ausstattung der Welt mit Lebewesen. (Günter
Irmscher) Und dem sich ins Bild- bzw. Zeichensprachliche niedergeschlagenen
Ornament kam in der Antike überdies eine ausgezeichnete Stellung
zu, weil das Ornament aus dem Nutzzusammenhang der Lebenserhaltung
herausgelöst ist, gleichwohl aber den Lebensabläufen
sie unterbrechend spielerisch folgt. Seine Nähe
und Distanz zum Leben eröffnet einen eigenen ästhetischen
Spielraum, der nicht der Selbsterhaltung durch Handlung, sondern
dem Selbstgefühl einen Ort gibt. Die erkennende Selbstbegegnung
im genussvollen Anschauen
(Günter Oesterle)
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